Immer wieder fällt mir auf, wie wichtig und gleichzeitig schwierig Kommunikation ist. Eine Methode mit der man gegenseitiges Verständnis fördert, ist die gewaltfreie Kommunikation (GFK). Das Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist es, Widerstände und Gegenangriffe des Gegenübers zu vermeiden.

Wie geht GFK?

Die folgenden vier Schritte sind bei der gewaltfreien Kommunikation zu durchlaufen:

  1. Beobachtung
  2. Gefühl
  3. Bedürfnis
  4. Bitte

Zum besseren Verständnis möchte ich die Methode an einem kurzen Beispiel beschreiben. Eine Führungskraft schreibt in einer Email eine Arbeitsanweisung an die Mitarbeiter, die mit den Worten endet: „… ich erwarte, dass Sie meine Anweisung befolgen, andernfalls wird das Konsequenzen haben.“ Wenn ich das lese, kommt ein unangenehmes Gefühl in mir auf. Ich möchte sagen: „Das kommt sehr harsch bei mir an und ich habe Zweifel, dass Mitarbeiter dieser Aufforderung gern folgen. Mein Formulierungsvorschlag wäre: >Bitte setzen Sie die oben beschriebenen Maßnahmen sofort um. Falls Sie dies bezüglich noch Fragen haben, adressieren Sie diese gern an mich, damit wir möglichst ohne Verzögerung und mit einem einheitlichen Verständnis starten können.< “ Diesen alternativen Formulierungsvorschlag würde ich als konstruktive Kritik beschreiben. Sobald ich andere Personen kritisiere, wenn auch konstruktiv, geraten diese häufig in einen Verteidigungs- oder Widerstands-Modus. Das ist eine schlechte Ausgangsposition, um den Blick auf die Formulierung aus einer anderen Perspektive zu öffnen.

Vor diesem Hintergrund untersuche ich auf den Auszug aus der Arbeitsanweisung mit der oben beschriebenen Methode der gewaltfreien Kommunikation-GFK:

1. Beobachtung

Im ersten Schritt betrachte ich die Situation und formuliere wertfrei meine Beobachtung:
Ich formuliere wie folgt: „Wenn ich die E-Mail lese, die Du Deinen Mitarbeitern geschrieben hast, …“

2. Gefühl

Im zweiten Schritt drücke ich das dabei in mir aufkommenden Gefühl aus. Dies bringe ich z.B. folgendermaßen zum Ausdruck: „… bin ich unsicher, …“

3. Bedürfnis

Im dritten Schritt nenne ich mein hinter diesem Gefühl liegendes Bedürfnis. Manchmal fällt es mir schwer, das Bedürfnis zu erkennen. Um auf das mit meinem Gefühl verknüpfte Bedürfnis zu kommen, frage ich mich: Was brauche ich abstrakt, allgemein, universell, damit ich in der konkreten Situation das zuvor beschriebene Gefühl nicht habe? Mein Satz könnte dann so weitergehen: „ … weil mir Kommunikation auf Augenhöhe wichtig ist …“

4. Bitte

Im vierten Schritt bitte ich mein Gegenüber um eine konkrete Handlung oder Verhaltensweise. Um dem Anderen die Möglichkeit zu einer freien Entscheidung zu eröffnen, kann ich meine Bitte als Frage formulieren. Diese könnte wie folgt lauten: „Könntest Du deine Anweisung so formulieren, dass dem Empfänger der Botschaft Raum für Rückfragen bleibt, wenn die Anweisung bei ihm Fragen oder Widerstand auslöst?“

Vollständig lautet meine gewaltfreie Botschaft an die Führungskraft dann wie folgt:

„Wenn ich die E-Mail lese, die Du Deinen Mitarbeitern geschrieben hast, bin ich unsicher, weil mir Kommunikation auf Augenhöhe wichtig ist. Was hältst Du davon, deine Anweisung so zu formulieren, dass den Empfängern der Botschaft Raum für Rückfragen bleibt?“

Praktische Anwendung der GFK oder akademische Worthülse?

Diese Art der Kommunikation erscheint mir schwierig, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich in einer emotional aufgeladenen Situation befinde. Dennoch sind die Gedanken der GFK wertvoll, wenn ich es schaffe, mich auf die vier Schritte der GFK zu besinnen, weil dies meinem Gegenüber erleichtert, sich meiner Sichtweise zu öffnen.

Was kann ich aus diesen vier Schritten der GFK Konkretes für meine Kommunikation mitnehmen?

1. Beobachtung

Beobachten und beschreiben ist neutral. Hier sind Bewertungen und Interpretationen fehl am Platz. Ich beschreibe, was ist, ohne zu bewerten oder zu interpretieren. Ich vermeide Bewertungen wie „Du bist …“

2. Gefühl

Gefühle auszudrücken heißt zunächst wahrzunehmen, was ich fühle und dieses Gefühl zu benennen. Ich hüte mich vor Pseudogefühlen. Wenn ich beispielsweise sage: „Ich habe das Gefühl, dass du, deine Mitarbeiter unterdrückst.“, handelt es sich nicht um die Benennung eines echten Gefühls.  Auch wenn in diesem Satz, das Wort „Gefühl“ vorkommt, beschreibt es nicht, wie ich fühle, sondern es ist ein Gedanke, den ich denke. Ich könnten auch sagen: „Ich denke, dass du deine Mitarbeiter unterdrückst“. Es geht an diesem Punkt nicht darum, was ich denke oder wie ich etwas bewerte, sondern darum zu benennen, was ich fühle. Also fühle ich mich in die Situation ein und stelle fest, welches Gefühl sich zeigt.
Häufig folgt ein Gefühlszustand, wenn ich formuliere: „Ich bin…. z.B. unsicher.“

3. Bedürfnis

Im nächsten Schritt, möchte ich das Bedürfnis benennen, dass hinter dem oben genannten Gefühlt steht. Das fällt mir oft schwer. Bedürfnisse sind abstrakt, allgemein und gelten universell. Sie enthalten kein spezifisches Verhalten und keine bestimmte Person. Um das Bedürfnis zu benennen, kann ich mich fragen, was ich brauche, um mich im Leben in dieser Situation wohl zu fühlen? An dieser Stelle kommen die verinnerlichten Werte (z.B. Freiheit, Menschlichkeit, Klarheit, Offenheit, Integrität, Frieden oder Sicherheit) an die Oberfläche. Ich nehme mir Zeit, um zu schauen, welches Bedürfnis hinter meinem auftretenden Gefühl steht. Das ist sehr spannend und manchmal auch nicht so schnell zu identifizieren. Mir hilft an dieser Stelle etwas Abstand. Bei der Formulierung des Bedürfnisses achte ich darauf, dass es nicht klingt, als wolle ich Schuld zuweisen, wie z.B. durch Formulierungen wie „Ich bin traurig, weil DU … .“ Wenn ich bei mir bleibe, klingt der Satz nicht wie eine Schuldzuweisung, ich formuliere: „Ich bin traurig, weil mir Gleichberechtigung wichtig ist.“

4. Bitte

Wenn ich in Schritt vier eine Bitte äußere, soll der Gesprächspartner die ehrliche Wahl haben, der Bitte zu entsprechen oder nicht zu entsprechen. Dies gelingt gut, wenn die Bitte in eine Frage gekleidet ist. Die Bitte sollte dabei nicht vage oder abstrakt formuliert sein, sondern klar und konkret.

Fazit:

GFK ist ein guter Schlüssel auf dem Weg zu erfolgreicher Kommunikation. GFK kann eine andere Perspektive eröffnen. Dabei kommt es auf die eigene Haltung an. Nehme ich meinen Gesprächspartner ernst? Bin ich mir wirklich klar darüber, was mit mir ist (Schritte eins, zwei, drei)?
Es ist vielleicht überraschend, dass Entscheidungsfreiheit (Schritt vier) Kooperation auf der Gegenseite fördert. Wenn ich offen und authentisch auftrete, weiß mein Gegenüber woran er/sie ist und damit erfülle ich die Bedürfnisse meines GesprächspartnersIN nach Klarheit, Transparenz, Sicherheit und Verlässlichkeit und das steigert die Aussicht auf Erfolg der Kommunikation.

 

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